AUFFÜHRUNG Hope Theatre Nairobi führt gesellschaftskritisches Stück über ungerechte Verteilung von Wasser auf
Von Gerhard Wieseotte
INGELHEIM – Es beginnt mit einem skeptischen Blick auf die Verhältnisse. Als schwankende, halb-besoffene Diva mit einer Flasche Sekt in der Hand, in blauem Kleid, dreckig braunem Pelz, hohen Schuhen und mit blau-grüner Perücke betritt „Mutter Erde“ die Bühne und klagt die Menschen an, sie zu vergiften. Aber, so prophezeit sie, die Spezies Mensch werde aussterben und die Natur werde sie überleben: „Und ich, die Erde, auch.“
Kämpfe um kostbares Gut
Das Lebensmittel Wasser, das „Mutter Erde“ den Menschen zur Verfügung gestellt hat, ist knapp und es ist nicht gerecht verteilt. Das ist die Botschaft des gleichnamigen Stückes des „Hope Theatre Nairobi“, das jetzt in der Integrierten Gesamtschule vor Schülern der IGS und der Berufsbildenden Schule (BBS) aufgeführt wurde.
Für knapp zwei Stunden tauchten die jugendlichen Zuschauer in die sonst so ferne Welt eines fremden Kontinents ein. „Wasser“ konfrontierte sie mit der Realität Schwarzafrikas, wo es immer noch Verteilungskämpfe um das kostbare Gut gibt. Es war kein Lehrstück, das das „Hope Theatre“ da aufführte, eher eine Art politische Revue aus 18 einzelnen Szenen mit afrikanischen Tänzen und afrikanischer Musik. Sie verdeutlichten die Not der Landbevölkerung, die unter der Profitsucht der Reichen leiden, die sie ausbeuten und ihnen die Lebensgrundlagen wegnehmen. So klagten in einer Szene zwei „Massai-Männer“ darüber, dass ihnen fremde Firmen den Zugang zum Fluss versperrten, dessen Wasser sie so dringend für ihr Vieh benötigten. Worauf der zuständige Beamte ihnen zynisch riet, doch wie er alles aufzugeben und sich einen neuen Job zu suchen. Darauf die „Massai“: „Wir bewahren unsere Traditionen und leben in Harmonie mit der Natur. Wir verunreinigen nichts, wir verbrauchen kein Land, wir trocknen keine Flüsse aus. Aber wir sind die ersten, die leiden. Ist das fair?“
Seit sieben Jahren gibt es jetzt das „Hope Theatre“. Gegründet hat es der Theatermacher Stephan Bruckmeier mit Jugendlichen aus den Slums von Nairobi, aus Kibera. Dort leben knapp eine Million Menschen unter zum Teil entwürdigenden Umständen. „Seit 50 Jahren arbeiten hier mehrere hundert Organisationen und Hilfsgruppen aus der ganzen Welt“, erzählt in „Wasser“ Monica, ein Mädchen aus Kibera: „Seit 50 Jahren werden Fotos von unserem dreckigen Wasser und unseren kleinen Hütten und unseren bettelnden Kindern gemacht. Aber es ist nicht möglich, einen Kanal zu bauen. Seit 50 Jahren kommt die reiche Welt zu uns, um uns zu helfen. Aber das Einzige, was sich verbessert hat, ist die Qualität der Fotos und Filme von unserem dreckigen, verseuchten Viertel.“ In Nairobi gebe es genügend Wasser, erzählt Judith Kunz, die „Wasser“ mit dem zehnköpfigen Ensemble erarbeitet hat. Aber es sei nicht gerecht verteilt. Nur 42 Prozent kämen bei den Konsumenten an. Der Rest versickere oder werde von Konzernen und Kartellen illegal abgezapft. Die Hälfte aller Krankenbetten weltweit, so lässt Kunz eine ihrer Schauspielerinnen sagen, sei mit Patienten belegt, die an sogenannten „waterborne diseases“ leiden. Diese seien das Ergebnis von verschmutztem Trinkwasser, ungenügenden Sanitäranlagen und unzureichender Hygiene. Rund 650 Millionen Menschen hätten immer noch keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. „Ungleichheiten“, so heißt es in „Wasser“, „existieren: Zwischen Stadt und Land, Mehr und Minderheiten, Arm und Reich“. Faire Preise für die Produkte der Dritten Welt fordert Stephan Bruckmeier: „Fast alle deutschen Billigrosen kommen aus Kenia. Es existieren riesige Plantagen, in denen diese Rosen gezüchtet werden. Es profitieren in erster Linie die Händler und der Kunde in Deutschland.“
Fairem Handel verpflichtet
Dass das „Hope Theatre Nairobi“ überhaupt nach Ingelheim kommen konnte, ist vor allem der Initiative der Berufsbildenden Schule zu verdanken, der sich dann die IGS anschloss. Beide Schulen gehören wie auch das Sebastian-Münster-Gymnasium zu den sogenannten „Fairtrade Schools“, die sich dem fairen Handel zwischen den armen und reichen Ländern verpflichtet fühlen und diesen Gedanken an ihren Schulen pflegen und weitertragen.