Tatort Schule
Nicht als Tatort-Kommissare sondern als Fürsprecher für Kinder in Not folgten Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär am 26.11.2014 einer Einladung des Gymnasiums am Rotenbühl. Frau Schmitt, Leiterin des FairTrade-Teams am GaR, hatte zu einer Podiumsdiskussion „Gemeinsam für Kinderrechte“ eingeladen, an der außerdem Bildungsminister Ulrich Commerçon, Regionalverbandspräsident Peter Gillo und die Schülerinnen Marlena Wagner und Polly Humble teilnahmen. Die Moderation übernahm Tonia Koch vom Deutschlandradio Berlin.
Um 18 Uhr eröffnete die Jazz-AG der Schule unter Leitung von Uwe Moik die Veranstaltung mit der Tatort-Titelmusik. Wer nicht als Tatort-Fan durch den bekannten Klang in Hochspannung versetzt wurde, den machte die kraftvolle Interpretation der Nachwuchsmusiker aufnahmebereit für die Eröffnungsrede der Schulleiterin. Jutta Bost berichtete von der Entwicklung des GaR zur FairTrade Schule, dem nachhaltigen Engagement von Lehrern, Schülern, Eltern und Spendern außerhalb der Schule, die durch gemeinsame Anstrengung für die Projekte der beiden Schauspieler 11500 Euro gesammelt hatten. Frau Bost erinnerte an die UN-Kinderrechtskonvention, die vor 25 Jahren in Kraft trat und die Basis für viele Aspekte von FairTrade-Projekten darstellt. Der Gefahr, aus Bequemlichkeit die lebensbedrohenden Probleme in vielen Teilen der Welt zu verdrängen, setze das GaR die gelebte FairTrade-Idee entgegen. Informationsveranstaltungen und eigene Aktivitäten machten allen die Verantwortung füreinander immer wieder bewusst, Fairness stehe als zentraler Begriff in den pädagogischen Leitlinien des GaR. Ob man das lernen könne, fragte Jutta Bost, und antwortete mit einem überzeugten „Ja!“.
Den Lernprozess hinter der Gründung von Tatort – Straßen der Welt e.V. beschrieb Dietmar Bär, der 1997 für Dreharbeiten des “Tatort Köln” mehrere Wochen in Asien verbracht hatte. Schockiert von den Zuständen auf den Philippinen, insbesondere dem Leiden der Kinder auf der Straße, in Gefängnissen und Bordellen, entschlossen sich die Schauspieler, ihre Prominenz als Aushängeschild für ein soziales Projekt zu nutzen. Inzwischen arbeitet der Verein erfolgreich, zeigt vor Ort regelmäßig Präsenz und hat bereits Wohnhäuser für betreute Kinder finanziert. Auf Kindernot in Deutschland reagierte Klaus J. Behrendt vor vier Jahren, indem er bei der Gründung eines zweiten Vereins in Osnabrück half. „Wir starten gleich“ bemüht sich, sozial benachteiligte Kinder bei der Einschulung mit einem Starterpaket auszurüsten, denn „kein Kind sollte mit einer Plastiktüte zur Schule gehen“.
Dieses Problem ist laut Peter Gillo besonders im Regionalverband Saarbrücken wohlbekannt, denn hier gilt fast jedes vierte Kind als von Armut betroffen. Land und Bund unterstützten zwar Brennpunktschulen und ermöglichten individuelle Hilfen, das Antragsverfahren sei jedoch für viele eine Hürde, die durch Initiativen wie „Wir starten gleich“ umgangen werden könne. Ulrich Commerçon wandte ein, die Einkommensgrenzen für eine Förderung seien sehr niedrig angesetzt. Aus dem Schulumfeld des GaR berichteten Marlena Wagner und Polly Humble, Einkommensunterschiede der Eltern seien mitunter am Besitz der Schüler abzulesen. „Wir sind die Zukunft von Deutschland“, betonten die Schülerinnen und baten um größere Investitionen in das Bildungssystem, was bei der Podiumsrunde einhellige Zustimmung fand.
Wie man sich anhaltend für Projektarbeit motiviert, wurde anschließend aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Polly Humble und Marlena Wagner erklärten, wie wichtig der regelmäßige Kontakt zu „Botschaftern“ aus den zu fördernden Bereichen ist. Nachhaltigen Eindruck hat etwa der Besuch von Father Shay hinterlassen, der mit seiner Theatergruppe das Thema „Knastkinder“ in den Philippinen eindrucksvoll vermittelt hatte. Eine Zuhörerin fragte nach der möglichen Frustration angesichts der bescheidenen Wirkung einzelner Projekte. Vom Podium und aus dem Publikum kam dieselbe Antwort, die gleichzeitig als Kernaussage der Veranstaltung gelten kann: Wir können die Welt nicht retten – aber jede einzelne Hilfeleistung ist von großer Bedeutung!
Auf die Frage, wie die Verwendung von Spendengeldern kontrolliert werde, beschrieb Dietmar Bär Besuche vor Ort, in den Mangoplantagen oder auf den Baustellen neuer Wohn- und Krankenhäuser oder Schulen. Ulrich Commerçon sprach von der Möglichkeit, öffentliche Aufträge an ethische Garantien zu koppeln. Peter Gillo berichtete von der allmählichen Ausweitung des FairTrade Gedankens über kleine Keimzellen – z.B. den Einkauf fairen Kaffees für öffentliche Institutionen – hin zum Transport der politischen Idee für einen fairen Welthandel. Das Argument zu hoher Preise gelte nur eingeschränkt, erklärten beide Politiker, denn vielfach ließe sich in unserer üppig Lebenswirklichkeit an anderer Stelle sparen. Dietmar Bär führte als Beispiel die „Jecke Fairsuchung e.V.“ an, mit der die Verwendung fairen „Wurfmaterials“ bei Karnevalsveranstaltungen gemeint ist, und die sich zunehmender Beliebtheit erfreut.
Abschließend äußerten sich die Schülerinnen stolz darauf, Teil einer Schulgemeinschaft zu sein, die sich für das wichtige Thema FairTrade engagiert. Der Beigeordnete der Stadtverwaltung Thomas Brück zollte der Schulgemeinschaft Anerkennung, indem er Jutta Bost stellvertretend einen fairen Fußball überreichte. Für die Damen auf dem Podium gab es Blumen, Annemarie Schmitt wurde für die Gesamtplanung, Annette Strathmann für die Organisation des Nachmittagsprogramms und Beate Hoffmann-Rahmen für die Planung des abendlichen Imbiss in der sogenannten Wanne geehrt. Die Klänge der Jazz-AG begleiteten die inzwischen durchgefrorenen Gäste (das Schulhaus war schlecht geheizt) auf dem Weg ins Erdgeschoss zu einem gemütlichen und leckeren Ausklang des Abends.
Anne Kilger