Fairer Handel ist nicht einfach. Zumindest ist fairer Handel keine Methode, um sich mal kurz das Gewissen beim täglichen Konsum rein zu waschen. Als nun drei Wochen lang die 20 SchülerInnen aus Mumbai zu Besuch am Hellenstein-Gymnasium waren, haben diese sich mit ihren Gastgebern und Lehrern im Rahmen ihres Projekts “My FAIR trade souvenir from Germany” viele schwierige Fragen gestellt und dabei wohl mehr Impulse als einfache Antworten erhalten: Wie können wir mehr Verantwortung für unsere Welt übernehmen? Ist es fair, wenn in Deutschland Produkte erst dann für uns erhältlich sind, wenn sie während ihrer Produktion einmal um den Erdball wandern mussten? Ist es im Vergleich dazu fair Dharavi als riesigen schmutzigen Slum in Mumbai zu verurteilen, obwohl dieser Ort nur kurze Transportwege und eine hohe Effizienz kennt, da sich Verschwendung und Gier hier niemand leisten kann? Ist es fair Kinderarbeit in Indien pauschal zu verurteilen, wenn Schwabenkinder in Oberschwaben lange Zeit selbstverständlich waren?

Besonders im Sinne der letzten Frage machte sich die gesamte 40-köpfige Austauschgruppe auf Exkursion nach Wolfegg bei Ravensburg und wurde dort mehr als herzlich empfangen. Dort gibt es nämlich zum einen ein schönes historisches Bauernhausmuseum und darin enthalten zum anderen eine sehenswerte Schwabenkinderausstellung. Unter der sachkundigen Führung von  Christine Brugger, Projektleiterin Schwabenkinder, und Museumsleiter Stefan Zimmermann wurden die deutschen und indischen SchülerInnen mit einer ihnen unbekannten historischen – und aus Indien vielleicht doch bekannten – Welt der Kinderarbeit konfrontiert. Angesichts der Armut und des möglichen Hungertots in der Heimat blieb für viele Kinder der Alpenländer im 19. und frühen 20. Jahrhundert nur noch die Möglichkeit der Kinderarbeit fern der Familie. Es ging ums Überleben! Viel drängender als eine grundsätzliche Verurteilung der Kinderarbeit stellten sich daher die Fragen: Wie könnte ein Überleben im Alpenraum strukturell gesichert werden? Wie wurden die Kinder in ihren Gastfamilien in Deutschland behandelt?  Die vielen aufkommenden Fragen zeigten das große Interesse der SchülerInnen. Der Nachmittag machte deutlich wie wertvoll Begegnungen auf Augenhöhe, insbesondere zwischen den Kulturen, für beide Seiten sein können.

Von großem Interesse war für uns daher auch die Stadt Ravensburg, die sich als Hauptstadt des fairen Handels bewerben will. Diese stand an diesem Tag ganz im Zeichen von Fairtrade. Einen Tag vor dem „World Fair Trade Day“, der größte Weltladens Deutschland, unsere Gruppe von der ersten Fairtrade Schule Baden-Württembergs, indische Gäste, die an einem Fairtrade-Projekt arbeiteten….. und sogar Ministerpräsident Winfried Kretschmann kam im Zeichen von Fairtrade in die Stadt. Was für ein toller Zufall! Die indische Gruppe könnte Tänze aufführen, sich der Bevölkerung als Gesprächspartner anbieten… sich einbringen, engagieren, kooperieren. Wann findet sich schon eine solch motivierte internationale Gruppe Jugendlicher?
Doch ohje – da hatten wir etwas vergessen: Wir sind doch NUR eine Schule und Schüler muss man ja bekanntlich betreuen. Klar, dass man uns da an so einem Tag im Zeichen der Fairness auf ganzer Linie absagen muss. Natürlich wäre es auch falsch den Stadtführer über unser Anliegen zu informieren. Da waren wir wohl doch zu visionär und zu kreativ. Aber als Lehrer kann man die Sache ja auch selbst in die Hand nehmen und findet dann im größten Weltladen Deutschlands auf einmal ja doch genügend Zeit, Platz und gesprächsfreudige Miartbeiter, da der Herr Minister doch erst am Nachmittag kommt. Und sogar ein Trostpflaster gab es noch: faire Gummibärchen für die Gruppe. Ach 40 Personen? Ne, dann gibt’s die Gummibärchen doch nur für die 4 Begleitlehrer. „Wir handeln fair“ lautet das Motto von Ravensburg. Aus unserer Sicht müsste es eher  lauten „Wir handeln mit fairen Produkten“. Fairer Handel ist eben nicht einfach.