Fair gehandelte Bananen – Geographie Klasse 7

 

“Verfassen Sie einen Essay zum Thema „Die nachhaltige Entwicklung der Erde“” – Deutsch Kursstufe 2

Jagd auf ein Phantom – ein Aufsatz von Dorothea Bach

 

Ein Phantom geht umher auf dieser Welt1. Ein Phantom starrt uns von Plakaten an. Ein Phantom spukt in unseren Köpfen (bevorzugt nachts, wenn wir nicht schlafen können).Ein Phantom springt uns an, aus dem, was ständig zwischen den Zeilen zu stehen scheint.

 

Das Phantom ist die Nachhaltigkeit. Politiker und Parteien werben damit, sie färben damit unsere Gedanken, ihr Image. Unzählige Artikel und Bücher und Appelle lassen sich über Nachhaltigkeit finden (wenn man sie lesen will). Dennoch bleibt Nachhaltigkeit schwer zu fassen, schwer zu konkretisieren, schwer in Worte zu fassen. Wie will man ein Phantom fassen? Die Hände gleiten durch es hindurch, ohne etwas Festes zu ergreifen. Wie will man ein Phantom beschreiben? Ich wage es. Allerdings nicht alleine, doch wer kann mir helfen? Kant kann. Mit seinen vier Fragen „ Wer bin ich? Was kann ich wissen? Was kann ich tun? Was darf ich hoffen?“ bietet er eine gute Strategie, sich dem Phantom vernünftig zu nähern. Den Erfolg dieser Strategie garantieren folgende Grundsätze, welche besagen, dass erstens vier gewinnt und zweitens Wissen Macht ist, nichts wissen aber auch nichts macht, solange man nur die richtigen Fragen stellt. Denn einen intelligenten Mensch erkennt man an Antworten, die er gibt. Einen Weisen an den Fragen, die er stellt. Stellen wir doch gleich die erste dieser weisen Fragen. Wer oder was ist Nachhaltigkeit? Eine zusammengeschusterte Definition klärt uns auf, was im Sinne Kants ist, denn er ist Aufklärungsphilosoph. Nachhaltigkeit ist das Bestreben, sich in allen Bereichen des Lebens, also im Bereich der Natur/Umwelt, der Wirtschaft und des Handels, dem zwischenmenschlichen Bereich und dem Handeln allgemein zu bemühen, die Welt nicht zu zerstören, sondern sie zukünftigen Generationen akzeptabel zu hinterlassen, was den Zustand der Umwelt und Ressourcen oder gesellschaftlicher Ideale angeht. Natürlich befasst sich diese zusammengeschusterte Definition nur mit den groben Grundprinzipien und führt nicht jedes Detail differenziert aus, aber wer schustert, sollte bei seinen Leisten bleiben. Deshalb verzichte ich hier auf weitere Ausführungen.

 

Wer Phantome jagt, sollte keine Zeit verlieren, also weiter zur nächsten Frage. Was kann ich wissen? Eine ganze Menge! Immerhin wird so viel über Nachhaltigkeit geredet, geschrieben, diskutiert, dass es so manchem auf die Nerven zu gehen droht. An diesen vielen Gedanken sieht man, dass es durchaus Bemühungen um eine nachhaltige Entwicklung gibt. Wir wissen sogar, worum sich diese Entwicklung bemüht. Erklärtes Ziel der Nachhaltigkeitsbewegung ist es, die Missstände auf dieser Erde zu beheben, um sie ein bisschen gerechter, ein bisschen besser zu machen. Beispielsweise durch den fairen Handel, welcher Bauern durch angemessene Löhne und menschliche Arbeitsbedingungen vor Ausbeutung und einem elenden Leben am Rande des Existenzminimums bewahren möchte und sich zudem noch für einen respektvollen Umgang mit der Natur und ihren Rohstoffen einsetzt, um dem Aspekt der Nachhaltigkeit auch auf dieser Ebene gerecht zu werden. Steht man nun im Supermarkt und beteiligt sich an der Errettung der Welt, indem man eine Tafel fair gehandelte Schokolade kauft, ist das natürlich nicht so spektakulär wie Superman, aber es ist notwendig. Notwendig, weil die fortschreitende Zerstörung der Umwelt und damit dem Planeten, der unsere Lebensgrundlage ist, auch uns zerstören wird. Notwendig, weil die Gefühlslosigkeit, die Gleichgültigkeit, die Untätigkeit, welche gegenüber dem Leid und Elend vieler Menschen noch weit verbreitet ist, dem Wohl der Menschheit nicht fördernd ist. Ein Vogel, der auf einem Ast sitzt, braucht keine Angst zu haben, dass der Ast bricht. Denn er hat Flügel. Die Menschheit, die auf dem Ast sitzt, hat einen Vogel: sie sägt und sägt und sägt sich selbst den Ast ab, auf dem sie sitzt und zu oft tanzt sie dabei zu unbeschwert. Was sie vergisst, ist, dass sie keine Flügel hat. Nächstes Spektakel, das es dann noch zum Bewundern gibt: Totentanz. Nun dürfte offensichtlich sein, wie notwendig es ist, etwas zu tun, also alle aufmachen zum Mithelfen! Bleibt nur noch die Frage nach dem „wie“. Was kann ich tun? Die dritte der vier weisen Fragen hat einen besonderen Wert, der sich durch die Grundsätze ersten sind aller guten Dinge drei und zweitens sind Taten vielversprechender als bloße Geschwafel, was man täte, tun könnte und schon immer einmal tun wollte, erklären lässt. „ If you ask about their favourite things, the answers are mostly things they have not done yet. That breaks my heart.” (A. Jolie). Wenn man genau diese Frage mit anderem Modalverb stellt, nämlich „was hast du schon getan, was du tun sollst?“ und nicht nur willst, fiele die Antwort bestimmt nicht sehr besser aus. That breaks our earth´s heart. Gebrochene Teile lassen sich gut zusammenkleben, verwendet man nur den richtigen Kleber und um etwas für die Nachhaltigkeit zu tun, gibt es viele Klebstoffe. Man kann Energie sparen, indem man im Winter zwei Paar Socken anzieht, anstelle von zwei Stufen, die man die Heizung sonst hochgedreht hätte. Oder indem man nach Anbruch der Dunkelheit keine Hausaufgaben mehr macht, damit man auf das Einschalten verschwenderischer Lampen verzichten kann und beim Blick in den sternklaren Himmel einen klaren Kopf und mehr Bewusstsein für all die Dinge bekommt, die zwischen Himmel und Erde liegen und zu oft vergessen werden, damit man das große Ganze spürt, das es zu schützen gilt.

 

So förderlich dies nun war, so kontraproduktiv war es dem nachhaltigen Lernen. Sogar das muss jetzt schon nachhaltig gestaltet und tituliert werden. Ob es funktioniert, ist eine andere Sache´, manche von uns lesen zwischen den Zeilen, andere eben zwischen den Sternen. Ich lese gerade, dass es an der Zeit wäre, diesen astronomischen Exkurs zu beenden, es muss schließlich auch jemand geben, der weiterhin auflistet, was man alles tun kann. Eine weitere sinnvolle Idee ist es, den Bus dem Auto vorzuziehen, den Zug dem Bus vorzuziehen, das Fahrrad dem Zug vorzuziehen und nebenbei auch immer im Bewusstsein zu behalten, dass man noch zwei Füße bis zum Boden hat, welche sich neben dem Tragen von geliebten Knochenbrecherschuhen auch noch zum Laufen eignen. Wer sich so fortbewegt, bewegt die Welt hin zum Besseren, da er unnötige Emissionen vermeidet. Außerdem ist es vorbildlich und der Nachhaltigkeit förderlich, wenn man ein strategischer Konsument wird. Mit strategischem Konsument ist nicht gemeint, sich bei der Konsumorgie im Supermarkt zwischen den Regalen zu verstecken, damit man der unliebsamen Bekannten auf dem Gang nicht hallo sagen muss und dann die letzten zwei Tüten Chips nicht mehr ausgraben kann, die man bei den Gummibärchen versteckt hat, damit kein anderer, strategisch unterlegener Konsument sie wegschnappen kann. Die Krönung einer Laufbahn als strategischer Konsument ist es, die Einkaufswägen anderer, natürlich strategisch maßlos unterlegener Konsumenten, an den Rollen so zu sabotieren, dass sie zum Erreichen der Kasse deutlich länger brauchen oder man beraubt sie ihrer Einkaufszettel, damit sie falls es Männer sind, panisch ihre Frauen anrufen, was da denn draufstand und wo im Supermarkt es zu finden ist, falls es Frauen sind, wird einfach mal doppelt soviel wie geplant gekauft, man weiß ja nie, wofür es gut sein könnte. So erreichen sämtliche Konsumenten die Kasse gar nicht und die eigene Wartezeit hat sich elegant verkürzt. Nein, diese Strategie mag ausgefeilt und genial sein, ist aber hier weder gemeint, noch nützlich. Der strategische Konsument im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung der Erde lässt sich charakterisieren durch seine Überlegungen und das Bewusstsein, das er zum Einkaufen mitbringt. Er ist sich bewusst, dass er nicht nur vor Supermarktregalen, sondern vor einer Entscheidung steht. Bei der Auswahl seiner Produkte unterstützt er bestehende Wirtschaftsstrukturen, kann neu entstehende Strukturen wie den fairen Handel fördern oder zu Alternativen, wie regionalen Produkten greifen. Dies tut er immer im Bewusstsein der Konsequenzen seiner Entscheidung. Das Abwägen der Konsequenzen und die Findung der Kaufentscheidung sind oft schwer. Kaufe ich fair gehandeltes Obst aus Übersee unterstütze ich Bauern, die es nötig haben und der faire Handel kann auf solchen Kunden nicht verzichten, das steht fest. Gleichzeitig belaste ich die Umwelt, irgendwie müssen die Äpfel und Bananen nach Europa kommen und das geht nur selten umweltfreundlich. Kaufe ich Kleidung zu billigsten Preisen, unterstütze ich es, dass ein Kind dafür keine Bildung, kein Kindheit und eines Mindestlohn bekommt. Kaufe ich sie nicht, geht es dem Kind dann besser? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht und es verliert wegen mangelndem Absatz auch noch diesen Job. Dann hat es keine Bildung, keine Kindheit, keinen Mindestlohn. Diese und noch mehr Dilemmata werden diejenigen antreffen, die den Pfad der Nachhaltigkeit beschreiten und es gibt keinen optimalen universalgültigen Ratschlag, wie man ihn zu gehen hat. Jeder muss seinen Weg finden, das Wichtigste ist, nicht stehen zu bleiben. Auch wenn man im Kampf für die Nachhaltigkeit nicht schnell deutliche Ergebnisse sehen kann, darf man sich nicht hinter Parolen wie „Was soll ich alleine gegen das alles ausrichten?“ in die Passivität flüchten, denn viele kleine Taten ergeben etwas Großes, so wie viele Schneeflocken einen Schneemann formen können, so wie jeder Weg mit einem Schritt beginnt, so wie ein Regenbogen aus vielen kleinen Tropfen und Staub und Licht besteht. Wer denkt, nur weil man klein ist, kann man nichts bewirken, der hat wohl noch nie eine Nacht in einem Raum mit einer Stechmücke verbracht.

 

Gehen wir noch einen entscheidenden Schritt weiter. Jetzt lautet die Frage nicht mehr tun oder nicht tun, sondern warum tun? Wenn man etwas tut, kann man die Frage nach dem warum oftmals beantworten oder man hat sich zumindest, wenn auch nur kurz und unbewusst mit ihr auseinandergesetzt. Manchmal kommt diese Reflexion zu spät, manchmal nimmt man eine Skatrunde an und fragt sich erst, wenn man scheitert, erst wenn ein Ass nach dem anderen vom Gegner abgestochen wird, wie um Himmels Willen man das tun konnte. Manchmal scheint das Leben an sich auch eine Abfolge von vielen „Es-schien-zu-diesem-Zeitpunkt-eine-gute-Idee-,-es-zu-tun-Dramen“ zu sein. Während ich beim Skatspiel maximal etwas Ehre und Selbstachtung verzocke, wovon ich nicht viel zu verlieren habe, verzockt die Menschheit die Erde, wobei sie deutlich mehr zu verlieren hat. Warum gehen wir dieses Risiko ein? Warum wollen wir es doch verhindern? Was erhoffen wir uns von einer nachhaltigen Entwicklung der Erde? Vielleicht ist es Ihnen nicht aufgefallen, aber wir sind dem Phantom während der letzten Zeit nah und näher gekommen, nun trennt uns nur noch eine Frage, die metaphysische Frage der vier Kant Fragen von ihm: Was darf ich hoffen? Auf unsere Phantomjagd bezogen, muss man die Frage minimalst umformulieren, hin zu: „Was erhoffen wir uns von einer nachhaltigen Entwicklung der Erde?“ Zuerst hoffen wir, so unser Gewissen beruhigen zu können und uns nicht mehr ganz so bösartig fühlen zu müssen. Kauft man eine Tafel Schokolade aus fairem Handel, so meint man, man sei ein guter Mensch, man habe genug gegen Armut und Leid getan. Man meint, man habe andere belohnt, begünstigt, doch belohnt man nur sich selbst, kauft sich ein gutes Gewissen und vergisst, dass man 17 Tafeln Schokolade aus ausbeuterischem Handel daheim hat. Ähnlich problematisch ist es, die nachhaltige Entwicklung nur zu fördern, weil es gerade „in“ ist und man gut dastehen möchte. Ja, man hat immerhin etwas getan, hat man gedacht und die Gedanken geändert? Gedanken sind ein zentraler Punkt, „denn von Gedanken nimmt die Seele ihre Farbe an“ (Marcus Aurelius). Hoffnung hin, Hoffnung her. Auf welcher Grundlage wir hoffen, ist unsicher. Ob die Hoffnung sich lohnt, sich je erfüllen wird, ist etwas ganz anderes, viel Ungewisseres. Ich persönlich bezweifle, ob die Nachhaltigkeit durchsetzbar ist, wer soll sie tragen? Der Mensch ist von Natur aus gierig, wer hat, der hat und gibt nur ungerne her. Wer nichts hat, kann auch nicht über den Sinn des Lebens philosophieren oder sich Sorgen um die Umwelt machen. „Nach dem Fressen kommt die Moral“ (Brecht), diejenigen die fressen, scheinen noch lange nicht satt zu sein. Die Moral geht also zwangsweiße den Bach hinunter und die wenigen Idealisten und Nachhaltigkeitskämpfer besitzen noch nicht genügend Durchschlagkraft und Revolutionspotenzial. Manchmal möchte ich die Welt auch gar nicht retten, es beginnt bei den schrecklichen Nachrichten in Fernsehsendungen und Zeitungen, setzt sich jeden Morgen im Bus fort, wo Kinder (unsere Zukunft!!) keinen Satz ohne Schimpfwörter oder mit korrekter Grammatik zustande bekommen, wo sie ältere Menschen oder Ausländer oder alle, die nicht den angesagten Undercut vom Frisör XY auf ihrem hohlen Kopf tragen, hemmungslos beschimpfen. Jeder meint, man solle doch eine bessere Welt für die Kinder hinterlassen. Ich finde, man sollte langsam daran denken, der Welt bessere Kinder zu hinterlassen. Wenn das nicht gelingt, wäre es vielleicht angenehmer sie ginge unter. Wo wir schon beim Weltuntergang sind, sollten wir das dringend vertiefen. Unter Umständen, die wir nicht begründen können, könnte es durchaus so sein, dass die Welt untergehen muss. Ob man es mit Schicksal, Religion, Logik, Vorherbestimmung, Gleichmut zu erklären versucht, es bleibt immer dabei, dass nichts für die Ewigkeit ist. Die vielen Weltuntergangsprophezeiungen haben sich (noch) nicht erfüllt. Aber nun hilft die Menschheit kräftig nach, sie doch zu erfüllen. An diesem Punkt ist meine depressive Endzeitstimmung weder für Sie noch für mich zumutbar. Ich werde es beenden, ich kann es beenden, denn die Mission ist vollbracht. Wir sind dem Phantom so nah wie nie, in zukünftigen Tagen, Wochen, Monaten, Jahren werden wir beobachten, ob das Phantom weiterhin auf dieser Erde wandelt. Wie lange ist es zum Spuken verdammt? Wie lange glauben wir an es? Erfüllt es sich, erwacht es zum Leben, erlöste es sich und bringt dieser Welt jene utopische Gerechtigkeit? Ich würde diese Fragen ja gerne beantworten, kann es aber nicht. Das ist bei Phantomen so, die Worte gleiten aus uns hinaus, ohne dass wir etwas erfassen.

 

1 In Anlehnung an „Ein Gespenst geht um in Europa“ (Kommunistisches Manifest“)