Im Rahmen der Nürtinger Eine-Welt-Tage und Friedenswochen fand am Dienstag, 14. November 2023 an der Albert-Schäffle-Schule ein Vortrag über Afghanistan und die Problematik von Migration und Fluchtursachen statt. Zu Gast waren Dr. Reinhard Erös und seine Frau Annette, welche mit ihren fünf erwachsenen Kindern die privat initiierte „Kinderhilfe Afghanistan“ betreiben. Die Schulseelsorge hatte hierzu alle interessierten Klassen mit ihren Lehrkräften eingeladen, so dass sich in der 3./4. Stunde ca. 120 Schülerinnen und Schüler sowie einige Lehrkräfte in der Aula versammelt hatten.

Reinhard Erös war zunächst Zeitsoldat, studierte dann Medizin und Politikwissenschaft und diente hierauf als Arzt bei der Bundeswehr, bevor er sich beurlauben ließ, um mehrere Hilfsaktionen u.a. in Indien, Pakistan, Bangladesch, Ruanda und Osttimor zu unterstützen. Seit den 1980er Jahren engagiert sich Erös in Afghanistan und hat hierzu 1998 mit seiner Familie die „Kinderhilfe Afghanistan“ gegründet. Diese private Hilfsorganisation engagiert sich in den Ostprovinzen Afghanistans durch humanitäre Hilfe sowie den Bau von Dorf- und Oberschulen, Waisenhäusern, Krankenstationen, Computerausbildungszentren und Berufsschulen – auch eine „Deutsch-Afghanische Friedensuniversität“ konnte eingeweiht werden. Dabei ist ihm die Aufklärung in den westlichen Ländern ebenso ein wichtiges Anliegen, weshalb er in mehr als 3.000 Vorträgen u.a. an Schulen über die humanitäre und politische Situation in Afghanistan berichtet hat.

Die den Vortrag leitende Frage war für Reinhard Erös: Was hat Afghanistan mit mir zu tun? Die 16- bis 18-jährigen Schüler lauschten gebannt dem Bildervortrag, anhand dessen der Referent von seinem vielfältigen Engagement in Afghanistan berichtete und versuchte, die jungen Menschen wachzurütteln und zu sensibilisieren: „Kostenfreier Zugang zu Bildungseinrichtungen, eine vergleichsweise gute Medienlandschaft, geringe Arbeitslosigkeit – wir leben hier im Paradies!“, so der Referent, der dafür warb, sich selbst aktiv in der Gesellschaft zu engagieren: „Es geht um euer Leben, um eure Zukunft!“ Eindringlich hob Erös hervor, dass junge Afghanen weiterhin zu uns kommen werden, wenn es nicht gelinge, Bildung und Arbeitsplätze in Afghanistan zu etablieren.

Weltweit sind 45 Millionen Menschen auf der Flucht, so dass Dr. Erös die Frage stellte, was junge, kräftige Afghanen veranlasse, ihre Heimat zu verlassen und einen gefährlichen und teuren Fluchtweg auf sich zu nehmen. Er weiß aber auch, dass die jungen Leute im Grunde nichts anderes wünschen, als einer guten Arbeit nachzugehen, zu heiraten und eine Familie zu gründen. Dem gegenüber stehen jedoch in Afghanistan 90 % Arbeitslosigkeit, 46 % Kindersterblichkeit und medizinische Unterversorgung: nur ein Arzt auf 250.000 Menschen. Besonders in ländlichen Gebieten gibt es zu wenig säkulare Schulen. Um dieser Perspektivlosigkeit zu begegnen, setzt Dr. Erös auf Bildung und Arbeit vor Ort. Doch dem Referenten ist es ebenso wichtig, die hiesigen Jugendlichen für politische und wirtschaftliche Zusammenhänge zu sensibilisieren, so dass sie sich damit auseinanderzusetzen. Fluchtursachen seien Herausforderungen, denen wir uns alle zu stellen haben.

Nähere Informationen zur „Kinderhilfe Afghanistan“: http://www.kinderhilfe-afghanistan.de